« vorheriger Artikel | Home | nächster Artikel »

Evidence based policy in der PädagogInnenausbildung Neu

von Klaus Satzke
Artikel drucken

Unter dem Titel „Der Bildungsbereich begünstigt Ideologien“ hat die Bildungspsychologin Christiane Spiel der Tageszeitung „Der Standard“ ein Interview gegeben, in dem sie den Standpunkt vertritt, dass es in Österreich zu wenig evidenzbasierte Politik gibt und dass die Bildungspolitik von diesem Manko besonders betroffen ist. Unter anderem läge das daran, dass Maßnahmen im Bildungsbereich besonders lange Laufzeiten haben, bis Auswirkungen auf wissenschaftlicher Basis festgestellt werden können. Ohne eine sich an Fakten orientierende Politik gleitet die Diskussion aber rasch in den Bereich ideologischer Auseinandersetzungen, die nur nach einer möglichst günstigen Positionierung in der öffentlichen Diskussion, nicht aber nach Lösungen suchen. Man muss Christiane Spiel recht geben und sie weiß ja auch, wovon sie als Mitglied des Entwicklungsrates zur PädagogInnenausbildung NEU spricht.
Was Christiane Spiel nicht sagt, aber selbstverständlich bestens weiß, das ist das Faktum, dass alle aktuellen Überlegungen hinsichtlich einer neuen, besseren Lehrerausbildung auf Vermutungen und sehr persönlichen Eindrücken beruhen. Wir haben an den pädagogischen Hochschulen und den Universitäten nicht nur zwei nach Inhalten und Organisation unterschiedliche Ausbildungen, wir haben auch kaum wissenschaftlich gesicherte Fakten über die Vorzüge und Nachteile dieser Ausbildungen. Hingegen gibt es jede Menge an je nach Interessenlage widersprüchlichen Vermutungen über Vorzüge und Schwächen der fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und schulpraktischen Ausbildung, nur eines gibt es nicht, eine evidenzbasierte Faktenlage.
Nun mag es müßig erscheinen, am Ende eines schwierigen Diskussionsprozesses (siehe die Begutachtungsentwürfe zum Hochschul- bzw. Universitätsgesetz) nochmals auf die Ausgangslage zurückzublicken, mit der die diversen Kommissionen zur Reform der LehrerInnenbildung ihre Arbeit begonnen haben.
Berechtigt scheint allerdings die Frage, ob die vorliegenden Gesetzesentwürfe auf die oben aufgezeigten Defizite eingehen und so etwas wie eine begleitende Forschung und Evaluation vorsehen. Vorweggenommen: Sie tun dies, aber wahrscheinlich unzureichend und es besteht eine erhebliche Differenz zwischen dem bestehenden Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz im universitären Bereich und einem Qualitätssicherungsrat für die Pädagogischen Hochschulen, der in allen entscheidenden Fragen nur beratende Funktion hat.
Im § 8 der Novelle zum Hochschulgesetz gibt es einen generellen Kooperationsauftrag an die Pädagogischen Hochschulen, der auch Maßnahmen der Evaluation miteinschließt. „Die Kooperation erstreckt sich neben der wissenschaftlich-berufsfeldbezogenen Forschung und Entwicklung auch auf die Evaluation und insbesondere auf die Erstellung der Curricula…“.

Und im § 86 gibt es bei der Aufgabenbeschreibung des Qualitätssicherungsrates die Zielstellung:
„Beobachtung und Analyse der Entwicklung der Pädagoginnen- und Pädagogenbildung in Österreich unter Bedachtnahme auf europäische und internationale Entwicklungen sowie Erarbeitung von Vorschlägen zu deren Weiterentwicklung“.
Dazu zwei Anmerkungen:
1. Der im § 8 enthaltene Auftrag ist nicht neu. Es gab ihn in modifizierter Form – weitgehend folgenlos - bereits im Akademiestudiengesetz 1999 und auch im Hochschulgesetz 2005. Echte Evaluation, also Wirkungsforschung ist eben bei den Betroffenen nicht beliebt, und das verständlicher Weise. Institutionen sind erfinderisch in der Abwehr solcher „Störungen“ und dabei oftmals erfolgreich. Was nicht nachdrücklich gefordert ist, das findet daher auch oftmals nicht statt.
2. Die Aufgabenliste des Qualitätssicherungsrates ist eindrucksvoll, aber man kann davon ausgehen, dass diese Einrichtung – lediglich mit Beratungsfunktion ausgestattet – in den kommenden Jahren alle Hände voll zu tun haben wird, einer Koordinationsfunktion gerecht zu werden, die von den Rektoren und Hochschulräten wahrscheinlich nicht außerordentlich erwünscht sein wird und die außerdem – was die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen betrifft – an einem seidenen Faden des jeweiligen Ministers hängt.
Für den universitären Bereich gibt es hingegen seit 2011 ein umfassendes Qualitätssicherungsgesetz, das beispielsweise die Auflage enthält:
„Qualitätssicherungsverfahren sind formelle, durch unabhängige und externe Gutachterinnen und Gutachter durchgeführte Verfahren, die die Übereinstimmung von Bildungseinrichtungen und Studien oder des Qualitätsmanagementsystems der Bildungseinrichtungen mit definierten Kriterien und Standards feststellen.“
Ein derartiges Qualitätssicherungsverfahren – kriterienorientiert, mit externen und unabhängigen Gutachtern – hat es in der Geschichte der Pädagogischen Akademien / Hochschulen – bislang nicht gegeben. Zu befürchten ist, dass wir uns nicht nur eine zweigleisige Lehrerbildung leisten, sondern auch eine, die in unterschiedlichen Bereichen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit fährt. Das ist keinesfalls eine Seligsprechung der universitären Lehrerbildung, sie wird sich allerdings gerade durch die vernünftigen Vorschläge des Entwicklungsrates in wesentlichen Punkten verbessern. Soll man darüber unglücklich sein, auch wenn man eine gemeinsame Lehrerbildung für die beste Lösung hält?
Die Pädagogischen Hochschulen werden für ihre Entwicklung in Richtung einer echten tertiären Ausbildung geschätzte 15 Jahre benötigen, sofern der Qualitätsentwicklungsrat seine Arbeit ungestört machen kann und die betroffenen Lehrerbildner sich nicht verweigern. Sollten wir tatsächlich auch eine funktionierende, begleitende Evaluation realisieren können, so werden wir am Ende der Entwicklung im günstigen Fall evidenzbasiert wissen, dass sich die Lehrerausbildung da oder dort verbessert hat, aber nach wie vor parallel fährt. Wir sollten uns fragen, ob das so gewollt ist!