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Die autonome Schule der Neos – So einfach ist Schulreform?

von Klaus Satzke
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Den Neos ist zugute zu halten, dass sie im Rahmen der mühseligen und ermüdenden Bildungsdebatte neue und wichtige Akzente gesetzt haben. Es ist ja tatsächlich erstaunlich und wohl auch kennzeichnend für die beiden Regierungsparteien, dass sie Themen wie jene der Schul- und Unterrichtsqualität („Den Kindern die Flügel heben“) sowie der Schulautonomie („Mit Schulautonomie zur besseren Bildung für alle“) gründlich verschlafen haben. Nicht zuletzt ist man mit Schlagworten und Slogans dieser Art allgemeinverständlich und unterscheidet sich damit wohltuend von jenen Konzepten, zu deren Verständnis man ein ideologisches Schulungsseminar oder einen Abschluss in Erziehungswissenschaften benötigt.
Zu einem Zeitpunkt, wo sich wieder einmal ein zaghaftes Bemühen der Regierungskoalition um ein verändertes Politikverständnis abzeichnet und in diesem Zusammenhang auch die Bildungsreform neu entdeckt wird („Zentrales Thema ist für Mitterlehner die Bildungsreform. Da darf es keine Denkverbote geben, sondern Gedankenfreiheit.“), erscheint es sinnvoll, die geschickt verpackten Vorschläge der Neos auf ihre Substanz hin zu untersuchen. Dies auch deshalb, weil der Einfluss der Neos-Schlagworte auf die groß-koalitionären Bildungsreformer unübersehbar ist.

Die Suche nach den Konzepten der Neos – soweit im Internet zugänglich – zeigt allerdings, dass über die Schlagworte hinaus bislang nur knappe Skizzen und Punktationen vorliegen, die zwar einen großen Veränderungsanspruch ausdrücken, sich aber auf Details nicht einlassen. Da wird eine „Nationale Initiative: Autonome Schule“ mit dem Ziel propagiert, im Mai 2015 ein "Buntbuch Schulautonomie" als Reform-Leitfaden herauszugeben und im September 2015 einen konkreten Gesetzesvorschlag für die "Autonome Schule" zu präsentieren. Strolz: „Wir befreien die Schulen aus der Bevormundung. Uns geht's darum, die Talente der Kinder zum Blühen zu bringen - in Schulen, die eigenverantwortlich neue Wege gehen.“
Das ist schwungvoll formuliert, aber es fehlt eine differenzierte Aufschlüsselung der Ziele und Methoden, der Prozesse und Entwicklungsschritte. Vor allem aber irritiert, dass hier wieder einmal der Versuch vorliegt, das komplexe System „Schule“ durch einen Gedanken, ein alleiniges Prinzip zum Besseren verändern zu wollen. Die Schule soll gewissermaßen an der Neos-Autonomie genesen. Das ist vor allem deshalb bedauerlich, weil eine deutlich erweiterte Schulautonomie zweifelsfrei ein wichtiger Impuls für eine Schulreform wäre. Den Neos „passiert“ hier etwas, das man aus vielen ideologisch gefärbten Grundsatzpapieren der „alten“ Parteien kennt, die Reduzierung von Komplexität und die Ausrichtung aller Überlegungen an einem einzigen „erkenntnisleitenden Interesse“. Die „Autonome Schule“ wird für die Neos zum deus ex machina, zum alleinigen Angelpunkt einer Bildungsreform, dem sich alle Themen unterordnen sollen und über das sich alle wesentlichen Probleme des Bildungssystems in Zukunft lösen lassen. Auf welche Steuerungs- und Selbststeuerungsmechanismen verlassen sich die Neos in diesen komplexen Zusammenhängen? Die Antwort lautet: Sie sagen es nicht!

Soweit im Text erkennbar, ist die Neos-Autonomie vor allem eine Schulleiter-Autonomie. Der Schulleiter ist ein gut ausgebildeter Manager, der in einem großen Konzern eine Filiale leitet und zur Herstellung eines Produktes über Ressourcen verfügen muss. Befremdlich mutet es an, dass in diesem Modell eine definierte Mitwirkung der Eltern im Rahmen einer neuen Schulpartnerschaft schlicht und einfach nicht vorkommt. Auch eine zumindest ansatzweise Klärung der Entscheidungsprozesse zwischen Schulleitung und den Lehrerteams fehlt. Antworten auf die Frage nach demokratisch legitimierten Kontrollmechanismen fehlen. Allfälliges Konfliktpotential bleibt unerwähnt und über notwendige Konfliktlösungs-mechanismen wird nicht gesprochen.
Das eigentliche Hauptproblem aber besteht darin, dass die autonomen Schulen der Neos für sich alleine agieren, sich gewissermaßen im luftleeren Raum befinden. Tatsächlich ist aber jeder Schulstandort – ob man sich dort dessen bewusst ist oder nicht - Teil eines komplexen Netzwerks aus innerschulischen und außerschulischen Interessenlagen, von regionalpolitischen Gegebenheiten und Erfordernissen. Man muss vielleicht nicht unbedingt der Meinung sein, dass es zur Berücksichtigung dieser Gegebenheiten solcher Schulbehörden bedarf, wie sie derzeit aussehen, aber man kann nicht die Notwendigkeit von demokratiepolitisch legitimierten Entscheidungsprozessen, von Abstimmung, Abklärung, Koordination und Korrektur leugnen oder übersehen. Hat man bei den Neos schon einmal von der Idee der Bildungsregionen gehört?

Erkennbar wird aus den Konzepten der Neos, dass das Schulsystem der Neos-Zukunft auf der Idee von einzelnen, autonomen (primär schulleiterzentrierten) Schulen beruht, die zwar an die langfristigen Zielsetzungen einer mittleren Reife gebunden sind (Alle SchülerInnen? Innerhalb welchen Zeitraums? Mit welchen Berechtigungen etc.), über die Wege dorthin aber weitgehend selbst entscheiden. Sichern autonome Entscheidungen über pädagogische Konzepte und die Verwendung der personellen und finanziellen Ressourcen alleine schon die Qualität des Unterrichtes? Ist die Wirklichkeit nicht etwas komplizierter als die programmatischen Vorstellungen? Auf welche Mechanismen glaubt man, sich verlassen zu können.
Den Eltern verbleibt in diesem System offenbar die Rolle der Konsumenten, die sich zwischen verschiedenen Marktangeboten entscheiden können bzw. müssen.
Erweckt das nicht den Eindruck, dass hier die einzelnen Schulen wie Wirtschaftsbetriebe agieren, die für den Markt Produkte bereitstellen, zwischen denen die Konsumenten wählen? Soll sich Schule also in Zukunft nach einem derartigen Marktmodell selbst regulieren? Ist das nicht der Griff in eine ideologische (neo-liberale) Mottenkiste?