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Gesamtschule – Eine Türschild-Debatte?
Ein Kommentar zum Türschilder-Streit!

von Klaus Satzke
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Falter 50/15 (9.12.20105) „Frau Präsident?“ / Interview mit Dr. Irmgard Griss

Falter: „Sind Sie für die Gesamtschule?“

Dr. Irmgard Griss: „Nein, ich glaube auch nicht, dass das Taferl entscheidend ist. Wichtig sind die Motivationen der Lehrer, die Wertschätzung, die ihnen entgegengebracht wird, und ihre Ausbildung. Die Gesamtschuldebatte lenkt ab, sie ist viel zu ideologisiert. Wenn die Gesamtschule kommt, werden Familien, die es sich leisten können, ihre Kinder in Privatschulen schicken.“

Niki Glattauer, 28.12.2015 - Kurier „Nicht bös’ sein, Frau Dr. Griss...“

Liebe Frau Dr. Griss, wir Gegner und Gegnerinnen der staatlich verordneten Aufteilung von 9-Jährigen auf Basis Semesterzeugnis 4. Klasse Volksschule in vermeintliche Winner und definitive Loser (darauf läuft’s in den Städten nämlich seit Jahrzehnten hinaus) sind bitte auch der Meinung, dass das Taferl nicht entscheidend sein darf. Genau aus diesem Grund sind wir auch nicht für die Abschaffung des Gymnasiums, sondern im Gegenteil für seine Öffnung für ALLE, und zwar unter einem einzigen, gemeinsamen "Taferl". Wir wünschen uns, dass eine solche "Gemeinsame Mittelschule" alles an Ressourcen, Geld und Personal bekommt, was nötig ist, um in der Unterstufe flächendeckend differenzierten und individualisierten Unterricht anbieten zu können, auf dass u. a. später in den Oberstufen der Gymnasien nur noch die sitzen, die da auch hingehören.

 Karl Heinz Gruber, 10.1.2016 - derstandard.at/2000028788079/Von-der-Gesamtschule-keine-Ahnung

Dass sich Frau Griss in Schulfragen nicht besonders gut auskennt, ist kein großes Malheur. Dass aber auch die von der Regierung eingesetzte Bildungsreformkommission keine Ahnung davon hat, dass echte Gesamtschulen nur Elemente eines alle Sekundarschulen einer Region umfassenden Gesamtschulsystems sein können, ist eine Katastrophe. Der absurde Vorschlag, 15 Prozent einer nicht genau definierten Region zu Gesamtschulen zu erklären, würde zu einer "unfriedlichen Koexistenz" von drei Schulformen, nämlich Pseudogesamtschulen, Gymnasien und NMS führen, was weder Sinn macht noch sich evaluieren lässt. So wie alljährlich das Unwort des Jahres gekürt wird, sollten "15 Prozent" zur bildungspolitischen "Unzahl" des Jahres 2015 erklärt werden.

 Kommentar der bpag:

Von Gegnern einer Gesamtschule sind schon dümmere Argumente formuliert worden, als jene, die Frau Dr. Griss im Interview mit dem Falter vorbringt. Kennt sie das Papier der Bildungsreformkommission überhaupt? Die Bildungsreformkommission will in Modellregionen „eine gute Durchmischung aller Kinder einer gemeinsamen Alterskohorte“ erreichen, sie sagt aber nicht, wie das gehen soll. Niki Glattauer deutet mit der Öffnung des Gymnasiums für Alle einen Lösungsweg an, führt den Gedanken aber leider nicht näher aus. Es wäre an der Zeit, Diskussionen nach dem Muster „Ja oder Nein zur Gesamtschule“ zu beenden und dafür konkret über notwendige Entwicklungsschritte zu reden. Wenn Gesetze und Verordnungen auf der Grundlage des „Reformpapiers“ der Kommission einmal ausformuliert sind, ist es erfahrungsgemäß zu spät.