Zuwarten ist keine Lösung!
Artikel druckenDer neue Wifo-Chef Christof Badelt (Zitat aus “Die Presse“ v. 10.9.2016) hat sich kürzlich für eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen mit ausgeprägter innerer Differenzierung ausgesprochen, die Spitzenbegabungen massiv fördert und Kinder mit Schwächen individuell unterstützt. Dies würde – so Badelt - zwar unter dem Strich mehr kosten, aber auch eine höhere Qualität bringen und die aus seiner Sicht verständlichen Sorgen vor einer Nivellierung berücksichtigen.
Die Argumentationslinie ist nicht neu, aber sie bringt doch einige der zentralen Fragen einer Mittelstufenreform auf den Punkt. Wenn man sich aus der Endlosschleife des ideologischen Hickhacks befreien will, dann muss man die gravierenden Probleme im bestehenden System klar aussprechen und Alternativen mit einem glaubhaften Qualitätsanspruch darstellen.
Der aktuelle bildungspolitische Diskussionsstand erfüllt diesen Anspruch nur fragmentarisch:
- Von Seiten der Sozialpartner wird nachdrücklich und massiv auf die Systemschwächen (Unterqualifikation großer Teile der Pflichtschulabgänger und in weiterer Folge enorme Arbeitsmarktprobleme) hingewiesen und eine umfassende Reform verlangt. WK-Präsident Christoph Leitl forderte eine Revolution im Bildungssystem. … "Das schulische System ist aber nicht Spitze, es ist im Keller!“ „Ja, wir brauchen eine andere Schule mit anderen Methoden, mit Unterricht in einem Block", sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar. „Man müsse jedenfalls dringend weg vom Klein-Klein. … Es braucht eine Bildungsrevolution“, sagt IV-Chef Georg Kapsch.
Viel deutlicher geht’s eigentlich nicht!
- In Vorarlberg und Tirol ist die Politik unter Druck geraten, weil für immer mehr Eltern die Nachteile des Besuches einer Hauptschule / Neuen Mittelschule im ländlichen Raum klar werden. Man kann wohl zu Recht vermuten, dass es vor allem die Mittelschicht-Eltern sind, die für ihre Kinder eine qualitätvolle Mittelstufenschule verlangen, die mittelfristig den Besuch einer Oberstufenform und die Ablegung der Reifprüfung sichert.
- Die sogenannte Bildungsreformkommission hat im November des Vorjahres ein Ergebnis vorgelegt, das die aktuellen Probleme im Mittelstufenbereich negiert und an Absurdität kaum zu überbieten ist. Die angekündigten Maßnahmen laufen im Wesentlichen darauf hinaus, dass die gesamte Thematik mindestens bis ins Kalenderjahr 2025 aufgeschoben wird. Noch immer ist der Beginn des Schulversuches „Modell-Region Schule der 6 - bis 14-Jährigen“ für die aktuelle Legislaturperiode völlig unklar, und durch die Einbeziehung der Grundschule in dieses Projekt entsteht eine 8-jährige Entwicklungsphase, an die sich dann noch die Evaluation, frühestens ab dem Kalenderjahr 2025, anschließt.
- Der neue Regierungschef und seine neue Unterrichtsministerin haben aus diesen Gegebenheiten offenbar den Schluss gezogen, dass in der laufenden Legislaturperiode beim Thema „Mittelstufenreform“ ohnehin nichts zu bewegen ist und der Ausbau der ganztätigen Schulformen die einzige Reformalternative darstellt. Das mag verständlich sein, geht aber an der Dringlichkeit der aktuellen Probleme völlig vorbei.
- Lösungen sind nicht von weiteren Schulversuchen zu erwarten und Zuwarten kann die Probleme nur verschärfen! Die eigentliche Problemzone liegt im Bereich der Neuen Mittelschule, die – wie nicht anders zu erwarten – das Erbe der früheren Hauptschule angetreten hat. Sie krankt nach wie vor an der Berechtigungsfrage (Stichwort 7-stufige Notenskala) und an punktuellen und regionalen Qualifikationsproblemen. Ohne grenzüberschreitende bzw. schulartenübergreifende Maßnahmen wird es aber nicht gehen!
- Warum können nicht Neue Mittelschulen, die entsprechende Qualitätsstandards erfüllen und einen Großteil der Volksschul-Abgänger erfassen, ihren erfolgreichen SchülerInnen einen Gymnasialabschluss offerieren?
- Warum können zwischen Neuen Mittelschulen und Gymnasien, dort, wo das sinnvoll ist, keine Kooperationsmodelle entstehen bzw. wenn notwendig, auch angeordnet werden?
- Warum kann mit dem Instrument der Bildungsstandards und dem gezielten Einsatz von personellen bzw. finanziellen Mitteln nicht eine Qualitätsoffensive an Standorten mit krisenhaften Erscheinungen gestartet werden? Wozu reden wir abstrakt über Schulautonomie und unterstützen nicht die Schulen bei der Entwicklung maßgeschneiderter Konzepte?
- K.S.