« vorheriger Artikel | Home | nächster Artikel »

Wer setzt als Opposition die bildungspolitischen Initiativen – die NEOS oder die Sozialdemokratie?

Artikel drucken

Die mit der Nationalratswahl vom 15. Oktober zu Ende gegangene Legislaturperiode hat im Bereich der Bildungspolitik wenig überzeugende Ergebnisse gebracht. Die von den meisten Landeshauptleuten ursprünglich angestrebte weitergehende Verländerung des Schulwesens konnte zwar abgewehrt werden, aber das wurde durch allzu viele Kompromisse beim Schulautonomiepaket inkl. der dort enthaltenen Schulbehördenreform teuer erkauft. Zwar konnten die „Grünen“ mit den Modellregionen einen wichtigen Akzent setzen, aber unter den Auspizien einer türkis-schwarz-blauen Koalition ist wohl nicht zu erwarten, dass in den kommenden 5 Jahren in diesem Bereich Impulse für eine Schulreform erfolgen.

Dieser bescheidenen Ausgangslage steht das  Faktum entgegen, dass das Schulwesen insbesondere im Mittelstufenbereich auf desaströse Zustände zusteuert. Unterrichtsministerin Hammerschmid hat auf diese Problematik zwar in der letzten Phase ihrer Amtstätigkeit mit der Ankündigung einer speziellen personellen Unterstützung für Brennpunktschulen reagiert, aber von einem wirklichen Sanierungskonzept war weit und breit nichts zu sehen (auch nicht im Plan A). Und wenn man sich die Wahlprogramme der wahrscheinlich koalierenden ÖVP und FPÖ ansieht, dann wäre es tatsächlich ein kleines Wunder, wenn bei den Verhandlungen für ein Regierungsprogramm für den Bildungsbereich mehr als ein paar Alibimaßnahmen herausschauen sollten.

In dieser verfahrenen Situation macht es nachdenklich, dass ausgerechnet die neo-liberal angehauchten NEOS die einzigen sind, die – zumindest im Bereich der Diagnose und Prognose – eine klare und unmissverständliche Sprache sprechen. Dies sei hier durch zwei Kostproben belegt. Laut Standard v. 11.11.2017 hält  der NEOS-Chef „die soziale Durchmischung in den Schulen für eine Schicksalsfrage unserer Gesellschaft. Entweder wir schaffen eine bessere soziale Durchmischung, oder wir werden in Bezirken wie Hietzing oder in anderen Nobelbezirken in Österreichs in 20 Jahren halt Gartenzäume bauen, die sechs Meter hoch sind, mit Stacheldraht und Videokamera, weil wir eine Spaltung der österreichischen Gesellschaft zugelassen haben.“

Und an anderer Stelle sagt Strolz: „Ich akzeptiere nicht, dass wir uns damit abfinden, dass wir in solchen Schulen ein Drittel der Jugendlichen verlieren. … Das sind die Schulen, in die wir ‚unsere‘ Kinder nie schicken würden (während sich die LehrerInnen zerreißen und die alteingesessenen Parteien weiterhin ideologiegetrieben eine echte Schulreform verhindern). Es macht mich wütend, dass ein Drittel der Jugendlichen direkt in die Sozialhilfe marschiert – lebenslänglich. … Weil Schulautonomie nicht umgesetzt wird, weil indexbasierte Schulfinanzierung nicht umgesetzt wird und damit weiterhin „Ghettoschulen“ zementiert werden. Soziale Durchmischung wird von der ÖVP nicht gewünscht und von der SPÖ nicht geschafft.“

Dem wäre eigentlich nichts hinzuzufügen, weil man dieser Analyse nur zustimmen kann. Wer sich allerdings die Papiere der NEOS genauer ansieht, der muss erkennen, dass die von den NEOS angestrebten Therapien für das Schulwesen in vielen Punkten fragwürdigen neoliberalen Zielvorstellungen verpflichtet sind. Vorgeschlagen wird beispielsweise ein Schulträgerschaftsmodell (analog zum Modell der Industriellenvereinigung), welches das Primat auf ein in erster Linie öffentliches Schulwesen auflösen würde.  Jede Gebietskörperschaft, jeder Gemeindeverbund sowie Organisationen und Einzelpersonen können Schulträger sein.  Erklärtes Ziel ist der Wettbewerb zwischen konkurrierenden Schulen, die unterschiedliche pädagogische Konzepte verwirklichen können. Schulen erhalten nur mehr eine Basisförderung, dafür erhält jedes Kind einen Bildungsscheck, der an jeder Schule eingelöst werden kann. Damit müssen Schulen um jeden Schüler kämpfen und geraten damit in ein - offensichtlich von den NEOS erwünschtes - Wettbewerbsverhältnis. Es darf bezweifelt werden, dass derartige Vorstellungen, denen die Idee eines Marktmodells für Bildung zugrunde liegt,  die Probleme tatsächlich zu lösen vermögen, geschweige denn mehrheitsfähig sind.

Andererseits beinhalten die NEOS - Papiere aber auch durchaus diskussionswürdige  Ideen wie beispielsweise die der  freien Schulwahl. „Wir sind für eine freie Schulwahl ohne Schulgeld. Wir würden alle  Schulen für 10- bis 15-jährige Mittelschulen nennen. Sie wären eine gemeinsame Schule, weil sie auf ein gemeinsames Ziel hinsteuern. Schulen können „natürlich“ (?) Schüler ablehnen, aber die nächstgelegene Schule hat eine Aufnahmepflicht. …Wir werden aber mit einer indikatorenbasierten Finanzierung (kriterienbezogene Finanzierungskomponente) darauf schauen, dass  soziale Durchmischung funktioniert… Homogene Eliteschulen sind erklärtermaßen nicht das Ziel. “ (Mattias Strolz lt. Presse v. 13.8.2014).

K.S.

Auch wenn man dem NEOS-Gesamtkonzept skeptisch gegenüberstehen mag, so sind doch einzelne Ideen als durchaus diskussionswürdig anzusehen. Zumindest ist zu konzedieren, dass Probleme richtig erkannt werden und konkrete Lösungsvorschläge gemacht werden.

Man fragt sich angesichts dieses Diskussionsstandes, was die Position der nunmehrigen großen Oppositionspartei SPÖ ist. Nimmt man die Bildungskapitel des Plan A zur Hand, dann gewinnt man den Eindruck, dass man sich dort viel zu sehr auf das mit dem Koalitionspartner ÖVP „Machbare“ beschränkt und das ist eben im Hinblick auf die Herausforderungen im Bildungswesen zu wenig. Was fehlt, das ist eine Bestandsaufnahme, die nichts beschönigt, eine Beschreibung der erkennbaren Entwicklungstrends und ein Konzept, das Alternativen benennt, abwägt und mögliche Konsequenzen aufzeigt. Anders formuliert: Es genügt nicht, die alte Gesamtschulidee stillschweigend zu beerdigen und als Alternativen ein Krisenmanagement anzubieten, das sich auf die Wirkung von mehr Geld und mehr Personal verlässt.  

Übrigens  will NEOS-Chef Matthias Strolz mit den anderen Oppositionsparteien (SPÖ und Liste Pilz) Gemeinsamkeiten im Bereich Bildung ausloten und behauptet, es seien bereits Termine vereinbart. Mit der ihm eigenen Neigung zu Pathos und Sendungsbewusstsein überdeckt er gerne die Tatsache, dass er der Sprecher einer Partei ist, die nicht mehr als 5 % der Wähler repräsentiert, von  denen wohl die wenigsten die Schulideen dieser Partei zur Kenntnis genommen haben. Umso mehr stellt sich die Frage, wo die bildungspolitischen Konzepte der  SPÖ als der großen Oppositionspartei zu finden sind und ob sie willens  und in der Lage ist, dieser neuen Rolle gerecht zu werden.