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Bildungspolitik, eine Türkis-blaue Bildungslücke

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Bildungspolitik, eine Türkis-blaue Bildungslücke

veröffentlicht in TREND Ausgabe 30/2018 von Andreas Lampl

Während die Bildungsmisere bei den Wirtschaftsorganisationen ein Dauerbrenner ist, kommt von der türkis-blauen Koalition dazu wenig bis nichts. Mit - umstrittenen - Deutschförderklassen und ein paar neuen Lehrberufen wie dem Onlinekaufmann wird noch kein Staat zu machen sein. Ganz zu schweigen von Kopftuchverboten an Schulen, mehr Noten in Volksschulen und 30 Millionen Euro weniger für die Kindergärten. … Von der FPÖ war nichts anderes zu erwarten. Vielen Blauen würden zusätzliche Heimatkunde-Stunden als Bildungsreform reichen. Aber auch die ÖVP sieht darin offenbar nur ein Orchideenthema, mit dem sich in Umfragen nichts gewinnen lässt. Dabei hätte sie allen Grund, mehr Fleiß zu zeigen. … "Ich hoffe auf Anfang 2019", sagt etwa Bildungsexperte Andreas Salcher, der sich dazu in den Koalitionsverhandlungen eingebracht hat. Er macht sich aber keine großen Illusionen. Denn jeder Reformansatz im Gerangel zwischen Bund und Ländern dreht sich immer nur um Organisation und Finanzierung des Systems - die Wurzel allen Übels: Die Diskussion über Bildungsziele und effiziente Maßnahmen zu deren Erreichung findet nicht statt. …

Kanzler Kurz müsste Bildungspolitik zur Chefsache erklären. Tut er aber nicht. Weil sie ihm anders als Migration kein Herzensanliegen ist. Würde Sebastian Kurz der Bildung nur halb so viel Aufmerksamkeit schenken wie der Sicherheit, wäre die Regierung ein Stück weiter. Wobei das Ausbildungsniveau wesentlich mehr mit Sicherheit zu tun hat als ein paar Grenzkontrollen mehr. …

Bildungsminister Heinz Faßmann hat weder den Rückhalt noch die Durchschlagskraft, um alleine weiterzukommen. Er ist Wissenschaftler, aber kein Mann mit einem Messer zwischen den Zähnen, der gerne in politische Fights geht. Ob Faßmann ein neues Lehrerdienstrecht zu Wege bringt, wird eine seiner Nagelproben sein. Bislang war von ihm nicht viel darüber zu hören. Gleiches gilt für die Lehrerausbildung, die - sehr vornehm ausgedrückt - eine Menge Luft nach oben hat. … Einen Kardinalfehler begeht die türkis-blaue Koalition, indem sie ganztägige Schulformen rück- statt ausbauen will. Getrieben von einer fadenscheinigen Ideologie, die sich an ein längst unrealistisches Familienbild klammert und die vielfach erwiesene Überlegenheit von Ganztagsschulen konsequent negiert.

Die Regierung Kurz redet viel über die Reform des Sozialstaates. Gleichzeitig macht sie keine Anstalten, durch Bildungspolitik eine Entwicklung zu verhindern, die von künftigen Generationen jeweils ein Fünftel lebenslang von den Sozialsystemen abhängig machen könnte.

K.S.